Ein gutes Stativ gehört zweifelsfrei zu Grundausstattung einer Fotoausrüstung. Sei es die Langzeitbelichtung am Wasser, der Astro-Shot in der Nacht oder die HDR-Aufnahme gegen die Sonne, in über 80 % meiner Aufnahmen ist ein Stativ im Spiel. Kann ich ihm vertrauen, habe ich den Kopf frei für Raum und Perspektive. Wer will schon im Greifreflex nach der Kamera die Tiefe einer Schlucht erkunden … . Im Laufe der Zeit haben sich einige Stative bei mir angesammelt. Vom 400 g Tischstativ bis zum 2,0 kg „Tourenstativ“ ist alles dabei.
Mein Anspruch an die Fotografie ist ein sehr mobiler. Wann immer ich kann geht es bergauf oder in unentdeckte Winkel. Dabei muss die gesamte Ausrüstung in einen 35+10l-Rucksack passen. Schaue ich auf meine Stative, landet eine Spezies besonders oft im Rucksack: Das Reisestativ zwischen 1,1 kg und 1,3 kg Gesamtgewicht. In dieser Kategorie finde ich den besten Kompromiss aus Stabilität, Tragbarkeit und Packmaß, ohne mich bei der Motivwahl wirklich einschränken – oder beschränken – zu müssen. Dennoch war ich mit meiner bisherigen Lösung nur semizufrieden. Zu nervig war das Hantieren im Vergleich zum großen 2,0 kg Stativ, zu umständlich dessen starre Mittelsäule. Die Firma Lens-Aid – mit Sitz in München – bot mir die Möglichkeit, ihr neues TP-255C Pro Carbon Stativ mit dem TPH-30 Kugelkopf zu testen. Herzlichen Dank dafür!
Für den Test habe ich mir bewusst 6 Wochen Zeit gelassen. Ich hatte das Stativ – vom Alpenvorland bis ins Allgäu – an zahlreichen Spots dabei. Kann das Lens-Aid Pro Carbon Stativ hohe Stabilität mit geringem Packmaß, angemessenem Gewicht und durchdachtem Handling für 159 Euro verbinden? Meine persönliche Meinung erfahrt Ihr in diesem Artikel.
Lieferumfang und prinzipieller Aufbau des Stativs
Das Pro Carbon Stativ wird gut verpackt in einem schlichten Karton geliefert. Darin befinden sich eine robuste Stofftasche mit Trageriemen, das Stativ mit Kugelkopf, eine kurze Mittelsäule, eine Handschlaufe für das Einbeinstativ, eine Kameragrundplatte sowie alle benötigten Werkzeuge (Imbus- und Mutternschlüssel). Alles wirkt hochwertig und bereits beim Auspacken wird klar, das Stativ möchte als Premiumprodukt wahrgenommen werden. Entsprechend riecht auch nichts nach preiswerten Materialien!
Dieser Eindruck setzt sich bei der technischen Spezifikationen fort. Die Rohre sind aus stolzen 11 Lagen Karbonflies gefertigt (Lens-Aid X11), das kann sich sehen lassen! Auch fallen die 5-segmentigen Stativbeine mit einer Durchmesserstaffelung von 25 mm, 22 mm, 19 mm, 16 mm und 13 mm – für ein Reisestativ – erfreulich massiv aus. Dem steht die zweiteilige Mittelsäule mit 25 mm und 22 mm Durchmesser in nichts nach. Was dies für die Stabilität bedeutet, werden wir später sehen. Optisch ist alles im klassisch edlen, seidenmatten Kohlefaser-Look gehalten, da geht einem Ingenieur das Herz auf.
Wie bei vielen Reisestativen, lassen sich auch beim Lens-Aid Pro Carbon die Stativbeine um 180° umklappen, sodass eine Packlänge von 35 cm erreicht wird. Das ist wirklich reise-tauglich und passt in jeden Rucksack. Selbst wer die robuste und gut verarbeitete Tasche nutzen möchte, kommt nicht über 40 cm Gesamtlänge hinaus. Bezogen auf das Gewicht schlägt sich das Stativ TP-255C mit 960 g und der TPH-30 Kugelkopf mit 248 g. Höhere Mathemathik verrät uns, das Gesamtgewicht beläuft sich auf 1208 g. Damit liegt es genau in der Mitte meiner Zielmarke von 1,1 kg bis 1,3 kg. Soll die Tasche mit ins Gepäck, werden weitere 195 g Richtung Erdmittelpunkt gezogen. Ich finde die Tasche wirklich praktisch, ist sie doch ein guter Schutz beim Autotransport und während der reise-freien Zeit. Eine schöne Zugabe!
Ein Bein des Stativs ist mit Moosgummi überzogen und lässt sich zum Einbeinstativ umfunktionieren. Die Isolation bietet einen guten Komfort beim Tragen in der Kälte.
Mit 248 g gehört der Kugelkopf zu den leichten Vertretern seiner Zunft und kann dennoch bis zu 8 kg Gewicht tragen. Damit werden selbst DSLR-Dinosaurier wie ich hervorragend bedient. Lens-Aid gibt für das Stativ eine minimale Aufbauhöne von 14,5 cm an, die maximale Aufbauhöhe wird mit 160 cm ausgewiesen. Was praktisch möglich ist, sehen wir später.
Damit genug zu den Fakten und auf zu meinen Eindrücken zum Kugelkopf und dessen Kohlefaserunterbau sowie zum Praxistest.
Der Lens-Aid TPH-30 Kugelkopf
Nichts ist so entsetzlich, wie ein nerviges Handling der Fotoausrüstung im entscheidenden Moment. Der TPH-30 macht in dieser Disziplin alles richtig. Mir ist er positiv aufgefallen, weil er eben gar nicht aufgefallen ist. Alles sitzt wie es muss und ist auf das Wesentliche beschränkt. Eine Friktionsschraube für die Kugel, eine Schraube für die Arca-Swiss-kompatible Klemme und eine weitere Schraube für die 360° Panoramarotation und fertig! Die Friktionsschraube der Kugel lässt sich so sanft kontrollieren, das es eine Freude ist. Und überhaupt laufen alle Schrauben und Teile weich, nichts kratzt, hakt, knarrt oder hat scharfe Kanten. Handfest angezogene Knäufe arretieren die entsprechende Mechanik fest, ganz ohne „Hulk“-sches Anzugmoment. Bravo, das musste ich schon anders erleben!
Gefallen hat mir auch die Arca-Swiss-kompatible Klemme. Nicht nur ihre Klemmbreite fällt mit 40 mm satt aus, sie bietet darüber hinaus gut ablesbare Wasserwaagen für das Hoch- und Querformat und obendrein ein schickes Leichtbaudesign. Wer keine elektronischen Wasserwaagen in der Kamera integriert hat, wird die Klemme zu schätzen wissen. Hier hat Lens-Aid gut mitgedacht.
Als Sicherungsprinzip gegen das Gleiten der Kamera aus der Klemme kommen Anschlagschrauben zum Einsatz. Mir persönlich gefällt das gut, wie ich im Artikel zu den L-Winkeln bereits geschrieben habe. Ein weiteres, schönes Feature ist die Skalierung der Panoramafunktion in 5° Schritten. Das wird dem „Pro“ im Namen des Stativs gerecht. Kann ich so – eine gute Aufstellung des Stativs vorausgesetzt – den zusätzlichen Panoramakopf für die Nodalpunktschiene schon einmal daheim lassen.
Einen kleinen Punkt habe ich dann aber doch. Ich bevorzuge Kugelköpfe mit Aluminiumknäufen ohne Gummierung. Deren Bedienung finde ich bei Kälte oder Sonnenchremeinsatz homogener. Andere Fotografen sehen das anders, von daher ist es ein persönlicher Aspekt. Ein Durchrutschen der Gummierungen konnte ich zu keiner Zeit feststellen. Ich muss sogar zugeben: Das „Gesamterlebnis“ des Pro Carbon Stativs gestaltet sich mit den Gummierungen als „one look and feel“, da sie am gesamten Stativ gleich ausgeführt sind.
Zusammenfassend leistet sich der Kugelkopf keine Schwächen. Das Konzept ist schlüssig, die Mechanik smooth und das Leichtbaukonzept geht sehr gut auf.
Das Lens-Aid TP-255C Stativ
Wie der Kugelkopf, gibt auch das TP-255C Stativ beim Handling keine Rätsel auf. Eine halbe Umdrehung an den Lock-Ringen nach links und die Beinsegmente fahren leicht – aber nicht unkontrolliert – aus. Bei der Einbeinfunktion wird dem ein oder anderen Wildlifefotografen oder Vlogger sicher ganz warm ums Herz.
Werden alle Register gezogen, liftet das Einbein den Boden der Kamera bis auf 164 cm Höhe. Mit 176 cm Körpergröße kann ich dann schon nicht mehr durch den Sucher meiner Kamera blicken … . Drüber hinaus können Hartgesottene einen Wanderstock aus ihm zaubern, dafür braucht es aber schon ein wirklich raues Herz!
Puren Genuss bieten die Verstellhebel für die drei Stativbeine sowie die Lock-Ringe. Sie arretieren unaufgeregt und ohne mechanisches Haken in drei Positionen, so gefällt mir das. Auf der Stativschulter hat Lens-Aid eine Wasserwaage platziert, wodurch sich die Panoramadrehachse für den Kugelkopf optimal justieren lässt. Ein kleines aber feines Feature!
Konnte die Verarbeitung des Stativ am Äußeren bereits überzeugen, setzt sich dieser Eindruck im Inneren fort. Ich habe die Beinsegmente einmal demontiert und nachgesehen … . Nicht nachmachen!
Alles ist sauber gearbeitet, nichts ist zerfasert, das Verarbeitungsniveau ist insgesamt hoch. Selbiges kann den ausreichend langen und gut gefetteten Aluminiumgewinden bescheinigt werden.
Kommen wir zum spannenden Teil des Tests, der Praxis!
Praxiseindrücke
Mit einer versenkbaren Mittelsäule bietet das Stativ ein ultimatives Feature, welches mir in der Vergangenheit – bei Reisestativen – oft fehlte. Komplett eingefahren erreiche ich eine minimale Aufbauhöhe von 39,5 cm (gemessen vom Boden bis zur Oberkante der Arca-Swiss-kompatiblen Klemme). Ein guter Wert! Soll es noch tiefer gehen – und das muss es bei mir – gibt es dafür zwei Möglichkeiten. Die offizielle Möglichkeit ist: Mittelsäule auszubauen und upside down wieder einbauen. Ich nutze eine zweite Variante und drehe die Stativbeine einfach direkt um 135°. Eine straffe Einfassung der Beine am Lens-Aid Pro Carbon Stativ macht dies möglich. In der Praxis sieht das Ganze dann so aus:
Im Ergebnis kann ich mir einen Fernauslöser sparen, das übernimmt der Maulwurf für mich! Der absolute I-Punkt wäre eine Beinarretierung bei 135°, diese hat weder das TP-255C von Lens-Aid noch ein mir bekanntes, anderes Stativ.
An die Drehbarkeit der Mittelsäule – im gelösten Zustand – musste ich mich anfangs etwas gewöhnen. Sie hat keine Führungsnut, was einem leichten Umbau nach der Upside-down-Methode allerdings zugute kommt. Andererseits kann die Kameraeinstellung – bei nachträglicher Höhenjustage – leicht verdreht werden. Ich habe mir angewöhnt, die Höhe der Mittelsäule zuerst einzustellen, dann gibt es keine Probleme.
Überzeugt hat mich die Stabilität des Reisestativs. Ist sie für niedrige Kamerapositionen obligatorisch, entsteht bei vielen Reisestativen ein ernstzunehmendes Problem nach oben. Mit eingefahrenen, dünnen Beinsegmenten, sowie halb eingefahrener Mittelsäule, steht es beeindruckend solide. Im folgenden Bild ist der Aufbau links dargestellt.
Bei den nun erreichten 118 cm ist längst noch nicht Schluss. Werden zusätzlich die kleinen Beinsegmente ausgefahren, nimmt die Stabilität zwar etwas ab, dank 11 Lagen Kohlefaserfließ und 13 mm Beindurchmesser, bleibt das Stativ aber insgesamt gut nutzbar (mittlerer Aufbau im obigen Bild). 140 cm misst der Meterstab jetzt vom Boden bis zur Bodenplatte der Kamera. Donnert es einmal heftiger, können Schwingungen mit etwas Gewicht am Haken der Mittelsäule – z.B. einem Fotorucksack – effektiv unterbunden werden. Was in dieser Konfiguration möglich ist, habe ich bei einem aufziehenden Gewitter getestet. Das Lens-Aid Pro Carbon musste dabei das Alpenvorland für 20 s festhalten … .
Die anfängliche Angst, der Shot könnte verwackelt sein, wich schnell der Erkenntnis, keinen Ausschuss unter den Bildern zu haben. Die Balance zwischen Stabilität und Gewicht ist Lens-Aid ausgesprochen gut gelungen.
Knapp wird es erst, sobald das zweite Mittelsäulensegment ausgezogen wird (links im Übersichtsbild dargestellt). Lichte 162 cm Aufbauhöhe fordern ihren Tribut. Aber Hand aufs Herz: Irgendwo müssen größere Stative ihre Berechtigung haben.
Wie schnell sich das 1,2 kg leichte Stativ wieder im Rucksack verstauen lässt und wie gut ich mit ihm rennen kann, erfuhr ich dann auf dem Weg nach Hause. Ergebnis: Ich war schneller als der Blitz!
Fazit
Mit dem Lens-Aid Pro Carbon betritt ein potentes und ernst zu nehmendes Reisestativ die Bühne der Fotowelt. Besonders gefallen hat mir die große Variationsvielfalt im Aufbau und die Balance zwischen Stabilität und Gewicht. Unterstützt von der edlen Optik, dem umfassenden Featureset und der tollen Ergonomie, macht es richtig Laune, das nächste Motiv in den Sucher zu nehmen.
Lens-Aid verlangt faire 159 Euro für sein Stativ. Der Markt kennt billigere Alternativen, diese bieten aber weder die massive Durchmesserstaffelung des Lens-Aid Pro Carbon, noch dessen 11-lagigen Kohlefaseraufbau. Beide Features machen das Stativ zu dem was es ist, einen soliden und tragbaren Begleiter auf Reisen. Preis und Leistung sind Top!
Cheers, David von photonenblende.de
[Bei dieser Seite handelt es sich – aufgrund von Markennennungen und Verlinkungen – um unbezahlte Werbung. Das Pro Carbon Stativ wurde mir von Lens-Aid zur Verfügung gestellt, wofür ich mich sehr bedanke! Absprachen bezüglich des Artikelinhaltes existieren nicht. Er gibt meine, persönliche Meinung wieder.]